Fotocredit: Soheil Honarmand
Ausländerbehörde
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Alle Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen, haben in Deutschland zwangläufig mit der Ausländerbehörde zu tun. Die deutschen Aufenthaltsgesetze unterscheiden viele Aufenthaltszwecke, beispielsweise anhand von Berufsqualifikationen, familiären Gründen oder Asylsuche. Insbesondere diejenigen Menschen, die keine Staatsangehörigkeit eines EU-Landes besitzen, in einem anderen EU-Staat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben und in Deutschland arbeiten möchten, haben mit vielen rechtlichen Hürden zu kämpfen. Für sie gilt beispielsweise immer noch die Vorrangprüfung. Im nachfolgenden Video spricht Jab Ben darüber, wie die Vorrangprüfung funktioniert, welche Auswirkungen sie auf seine Aufenthaltserlaubnis hatte und wie sie sich auf seine Jobauswahl auswirkte:
Wie Jab Ben im Video erklärt, wurden drei von ihm eingereichte Arbeitsverträge aufgrund der Vorrangprüfung abgelehnt. Zusätzlich zu einem Arbeitsvertrag müssen Menschen, die unter diesen Paragraphen fallen, eine gültige Meldebescheinigung (Anmeldung) nachweisen. Was diese Doppelbelastung für ihr Leben in Deutschland bedeutete, erklären Jab Ben und Zagalo in nachfolgendem Video:
Diese gesetzlichen Regelungen werden von der Ausländerbehörde durchgesetzt, in der viele Menschen mit Diskriminierung konfrontiert werden. Zagalo berichtet in nachfolgendem Video von seinen Erfahrungen mit der Frankfurter Ausländerbehörde:
Für diejenigen, deren Aufenthaltstitel an ihren Job gebunden ist, ist die Corona-Pandemie eine Herausforderung. Jobverlust oder Kurzarbeit bedeuten nicht nur finanzielle Sorgen, sondern auch die Angst um den Aufenthaltstitel. Jab Ben und Zagalo berichten in nachfolgendem Video, wie sich die Corona-Pandemie auf ihre Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsstelle ausgewirkt hat:
Viele Menschen, die diese gesetzliche Verfahren durchlaufen müssen, setzen sich gegen diese zur Wehr und organisieren sich gemeinsam in Netzwerken und Initiativen. Sie versuchen, den Teufelskreis von »ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit« gemeinsam zu lösen und sich in ihrem Alltag gemeinsam zu unterstützen. Eine dieser Initiativen ist Project Shelter, die wir in unserer Station zum Paradieshof vorstellen.
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Aufenthaltsgesetze in Staaten entstehen nicht zufällig, sondern sie verändern sich stetig und entstehen vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen und den zu dieser Zeit vorherrschenden Strukturen in dieser Gesellschaft. Eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien innerhalb eines Staates ist die Staatsangehörigkeit. Es werden “Staatsbürger*innen” bestimmt, die Privilegien besitzen wie Zugang zu Bildung, dem Sozialsystem, Arbeitsmarkt oder Gesundheitssystem.
Kategorisiert nach Staatsangehörigkeit und ökonomischer Verwertbarkeit
Für Menschen, die keinen deutschen Pass haben und in Deutschland arbeiten möchten, gestaltet sich das Aufenthaltsrecht sehr unterschiedlich. Im Falle der Interviewten in den Videos spielen Kriterien der Staatsangehörigkeit und des ökonomischen Werts der Arbeitskraft zusammen. Für ein Arbeitsvisum wird zum einen nach Staatsangehörigkeit unterschieden, da die Interviewten zwar in anderen europäischen Ländern eine langfristige Aufenthaltserlaubnis haben, aber keine Staatsangehörigkeit eines EU-Landes. Zum anderen spielen ökonomische Ausschlussmechanismen eine Rolle, da sie keinen in Deutschland anerkannten akademischen oder beruflichen Abschluss nachweisen können, durch den sie unter das Fachkräfteeinwanderungsgesetz fallen würden und keine Vorrangprüfung durchlaufen müssen. Der Staat regelt so auf nationalistische Weise die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt: EU-Staatsbürger*innen haben darin Vorrang, andere Menschen erhalten Zugang je nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit. Damit findet eine mehrfache Kategorisierung statt, die anhand nationalistischer, rassistischer und kapitalistischer Logiken passiert.
Institutioneller Rassismus in der Ausländerbehörde
Diese Logiken schlagen sich nieder in den Erfahrungen der Menschen beispielsweise mit institutionellem Rassismus in der Ausländerbehörde. Dieser erfolgt anhand von der vermeintlichen Hautfarbe, Kultur, Religion oder ethnischen Herkunft, die den Betroffenen von den Behördenmitarbeiter*innen zugeschrieben werden. Ein weiterer Aspekt dieser Diskriminierung ist, dass nur bestimmte Fähigkeiten als relevant anerkannt und von diesen abweichende Erfahrungen und Kenntnisse abgewertet werden. So sprechen beispielsweise manche Menschen viele Sprachen, jedoch zählen in der Ausländerbehörde nur ihre Deutschkenntnisse. Zu institutionellem Rassismus und Polizeikontrollen spricht Copwatch FFM an der Station zum Hauptbahnhof.
Was ist die Vorrangprüfung?
Viele Menschen, die mit deiner Aufenthaltserlaubnis aus einem anderen EU-Staat nach Deutschland kommen, dürfen ihren Job nicht frei wählen. Für sie gilt die Vorrangprüfung. Bei der Vorrangprüfung muss die Betroffene Person ihren Arbeitsvertrag, bevor sie diesen antreten darf, den Behörden zur Prüfung vorlegen. Diese Prüfung dauert oft mehrere Monate. Die Ausländerbehörde beauftragt das Arbeitsamt zu prüfen, ob für einen vorgelegten Arbeitsvertrag hypothetisch andere geeignete Bewerber*innen mit deutschem oder europäischem Pass gibt. Nach der Genehmigung des Arbeitsvertrags ist der Aufenthaltsstatus zunächst für ein Jahr an diesen einen Arbeitsvertrag gekoppelt.
Seit 2019 wurde die Aufhebung der sogenannten “Vorrangprüfung” für einen Großteil der Asylsuchenden und »Geduldeten« dauerhaft in Deutschland durchgesetzt, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Nach §38a des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländer*innen in der Bundesrepublik Deutschland gilt dies jedoch nicht für »Inhaber*innen der Aufenthaltserlaubnis in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Dauer«. Durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sind unter zuletzt genannter Personengruppe nur Menschen mit in Deutschland anerkannter Berufsausbildung und/oder akademischem Abschluss ebenfalls von der Vorrangprüfung ausgenommen.
Mehr Informationen dazu:
Abschaffung der Vorrangprüfung beim Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende und Geduldete
Die Stationen
Ein Haus für alle
Ein Freirraum für alle
Das Klapperfeld
Abschiebehaft und der Widerstand dagegen.
Ausländerbehörde
Der schwierige Weg zur Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis
Arbeiten in Frankfurt
Der Kampf um Arbeitsrechte
Der Hauptbahnhof
Racial Profiling als ständiger Begleiter
Der Paradieshof
Kampf um ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum
Der Anschlag in Hanau
Gegen rassistischen Terror und das Vergessen
Das Bahnhofsviertel
Dreh- und Angelpunkt für migrantisches Leben
Mixtape Migration wird durch eure Spenden finanziert
Die Tour ist für alle kostenlos und ist für möglichst viele Menschen zugänglich. Gleichzeitig sind wir auf Spenden und Unterstützung angewiesen- wir wollen die Tour bekannter machen und in einem zweiten Schritt um weitere Themen und Stationen erweitern.
Das Projekt wird vom gemeinnützigen Verein turn the corner konzipiert, organisiert und durchgeführt. turn the corner setzt sich für eine Gesellschaft ein, in der wir gemeinsam und bewusst gestalten, wie wir selbstbestimmt leben und arbeiten wollen. Eine Gesellschaft, in der Menschen ohne Zwang verschieden sein können. Mehr über turn the corner erfahren.