Fotocredit: Soheil Honarmand
Arbeiten in Frankfurt
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Menschen, die nach Deutschland migrieren, sehen sich auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere im Niedriglohnsektor, verschiedenen Formen von Ausbeutung und Diskriminierung ausgesetzt. Diese können durch ihren aufenthaltsrechtlichen Status noch verstärkt werden. Mariam Emanuel berichtet in nachfolgendem Audio von ihren Erfahrungen mit der Vorrangprüfung, die in ihrem Fall galt, als sie nach Deutschland kam:
Die Vorrangprüfung koppelt den Aufenthaltsstatus zunächst an einen bestimmten Arbeitsvertrag (mehr dazu findest du in der Station zur Ausländerbehörde). Welche Konsequenzen diese Regelungen für ihren Arbeitsalltag hatten, davon berichtet Mariam Emanuel in der nachfolgenden Audio:
Auch Stella musste dieses Verfahren durchlaufen, um eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bekommen. In nachfolgendem Video berichtet sie von ihren Erfahrungen mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen und wie diese sich auf ihren Arbeitsalltag ausgewirkt haben:
Nach einem Jahr kann Stella zwar ihre Arbeitsstelle wechseln, erlebt aber weiterhin Ausbeutung, Diskriminierung und Willkür durch ihre Arbeitgebenden.
Viele Menschen, die unter solchen Bedingungen leben und arbeiten müssen, wehren sich gegen diese und schließen sich mit anderen Menschen zusammen. Project Shelter Frankfurt ist eine Initiative, in der sich Menschen gemeinsam gegen diese Bedingungen organisieren. Weitere Informationen dazu siehe Station Paradieshof.
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Der Zwang zu prekärer Arbeit
Nach Deutschland migrierende und/oder rassifizierte ⊕ Personen sind häufig dazu gezwungen, prekäre Jobs anzunehmen und ihre Arbeitsrechte immer wieder einfordern zu müssen. Gleichzeitig lastet auf ihnen ein höherer Druck, dem Leistungsideal in der Gesellschaft zu entsprechen, da ihr Leben in Deutschland nicht als selbstverständlich angesehen wird. Das äußert sich beispielsweise darin, dass sie immer wieder dazu gedrängt werden, ihr “Hier-Sein” und ihre Familiengeschichte bei der Arbeit, in der Schule oder in ganz alltäglichen Situationen zu erklären und zu rechtfertigen. Außerdem sind Aufenthaltserlaubnisse oftmals an ein bestimmtes Arbeitsverhältnis geknüpft und bereits vorhandene Abschlüsse oder Wissen werden nicht anerkannt. Verschiedene ökonomische, rassistische und/oder sexistische Strukturen erschweren so individuelle Anstrengungen, sich ein besseres Leben aufzubauen, beziehungsweise machen dieses unerreichbar, da der Zugang zu Bildung oder Spracherwerb erschwert ist. Mehr dazu findet ihr auch in der Station zur Ausländerbehörde.
Gerade im Niedriglohnsektor in Branchen wie dem Hotel- und Gastgewerbe oder der Pflege übersteigt die Arbeitsbelastung oft physische und psychische Grenzen. Häufig werden geltende Arbeitsrechte nicht eingehalten und der Lohn reicht oft kaum, um über die Runden zu kommen. Viele Menschen wollen nicht unter diesen Bedingungen arbeiten –gleichzeitig werden in diesen Branchen viele Arbeitskräfte gesucht. Die Vorrangprüfung ist somit ein staatliches Mittel, Menschen in diese Arbeitsverhältnisse zu drängen und ihre Handlungsspielräume zu begrenzen.
Krisen und Grauzonen
Im Zuge von Krisen, wie beispielsweise der Weltwirtschaftskrise 2008 oder infolge der Covid-19-Pandemie lässt sich erneut beobachten, dass Lohnarbeitsverhältnisse in den oben genannten Branchen häufig sehr unsicher sind und die Personen in diesen Branchen oftmals zuerst ihre Arbeit verlieren. Noch prekärer leben und arbeiten diejenigen, die aufgrund ihres rechtlich zugewiesenen Status auf illegalisierte ⊕ oder informelle Beschäftigung angewiesen sind. Dabei sind die Grenzen zwischen legalen und illegalisierten Arbeitsverhältnissen oft fließend und Menschen hängen in Graubereichen fest. So beuten beispielsweise einige Unternehmen Menschen in einem nicht dokumentierten Arbeitsverhältnis aus, während die Vorrangprüfung des Arbeitsvertrags durch die Behörden läuft. Somit können ohnehin schon niedrige Standards von Arbeitsbedingungen oder Bezahlung zusätzlich unterlaufen werden.
Aktiv gegen diese Bedingungen
Viele finden sich nicht mit dieser Situation ab, werden selbst aktiv und wehren sich: Sie bilden Netzwerke, in denen sie Informationen über Arbeitgeber*innen austauschen, über Strategien gegen schlechte Arbeitgeber*innen nachdenken und sich gegenseitig von neuen Jobs erzählen. Ein solches Netzwerk bietet auch Project Shelter. Während die Gruppe für ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum kämpft (diesen Kampf beschreibt die Station Paradieshof), empowern sich die Aktivist*innen auch bei Workshops zu gewerkschaftlicher Organisierung und Arbeitsrecht, oder unterstützen sich bei (gerichtlichen) Auseinandersetzungen mit Arbeitgeber*innen und tauschen sich über diese aus.
Wir schreiben illegalisiert und nicht illegal. Uns ist wichtig zu verstehen, dass diese rechtliche Kategorie gesellschaftlich gemacht ist und zugewiesen wird, und ein Sachverhalt oder ein Mensch Illegalität nicht als Eigenschaft aus sich heraus mitbringt.
Der Begriff »rassifiziert« beschreibt in der Rassismusforschung die Kategorisierung und Hierarchisierung sozialer Gruppen sowie die Aufladung bestimmter Merkmale dieser Gruppen mit Bedeutung.
Die Stationen
Das Klapperfeld
Abschiebehaft und der Widerstand dagegen.
Ausländerbehörde
Der schwierige Weg zur Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis
Arbeiten in Frankfurt
Der Kampf um Arbeitsrechte
Der Hauptbahnhof
Racial Profiling als ständiger Begleiter
Der Paradieshof
Kampf um ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum
Der Anschlag in Hanau
Gegen rassistischen Terror und das Vergessen
Das Bahnhofsviertel
Dreh- und Angelpunkt für migrantisches Leben
Mixtape Migration wird durch eure Spenden finanziert
Die Tour ist für alle kostenlos und ist für möglichst viele Menschen zugänglich. Gleichzeitig sind wir auf Spenden und Unterstützung angewiesen- wir wollen die Tour bekannter machen und in einem zweiten Schritt um weitere Themen und Stationen erweitern.
Das Projekt wird vom gemeinnützigen Verein turn the corner konzipiert, organisiert und durchgeführt. turn the corner setzt sich für eine Gesellschaft ein, in der wir gemeinsam und bewusst gestalten, wie wir selbstbestimmt leben und arbeiten wollen. Eine Gesellschaft, in der Menschen ohne Zwang verschieden sein können. Mehr über turn the corner erfahren.